Nadine Jacobi
Allgemein

Beim Schutz von Whistleblowern pfeift das Bundesjustizministerium in wichtigen Punkten auf die EU-Richtlinie

Dass Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern bis Ende des Jahres 2021 ein Hinweisgeber-System einrichten müssen, ist bereits seit dem Beschluss der entsprechenden EU-Richtlinie im Oktober 2019 bekannt. Bei der Umsetzung der Vorgabe aus Brüssel will das deutsche Bundesjustizministerium nun noch einen Schritt weiter gehen: Der Gesetzesentwurf sieht vor, Mitarbeiter und Beamte nicht nur bei Hinweisen auf Verstöße gegen EU-Recht, sondern auch gegen deutsches Recht besser zu schützen. Für Diskussionen sorgt darüber hinaus der Plan, Hinweise direkt an eine Behörde zu erlauben – ohne vorher das betriebsinterne Hinweisgeber-Meldesystem zu nutzen.

 Kennen Sie noch Daniel Ellsberg? Bestimmt aber „Deep Throat“: Aus Furcht vor Repressalien hielt der seinen wahren Namen 33 Jahre lang geheim und gab sich erst 2005 als der ehemalige FBI-Mitarbeiter Mark Felt zu erkennen. Beide waren Anfang der 1970er Jahre mit ihren Enthüllungen über US-Präsident Johnsons Vietnam-Kriegspläne bzw. Richard Nixons Watergate-Skandal die bekanntesten Hinweisgeber ihrer Zeit.

Besser in Erinnerung sind aus jüngerer Zeit Edward Snowden oder Bradley Manning. Sie machten mit ihren Enthüllungen über fragwürdige Militär- bzw. Geheimdienstaktivitäten der Vereinigten Staaten via Wikileaks den Begriff „Whistleblower“ in Deutschland erst zu einem gängigen Begriff.

 

Interne Whistleblower erst seit 2019 vor Strafverfolgung geschützt

Mitarbeiter und Beamte, die Datenlecks, Schmiergeldzahlungen oder Gammelfleisch-Betrügereien aufdeckten, müssen sich erst seit 2019 durch das „Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen“ nicht mehr vor Strafverfolgung fürchten.

Regelungen zum Schutz vor Repressalien ihrer Arbeitgeber sind bis dato im Zivil- und Arbeitsrecht verankert. Die betreffende Rechtsprechung sei jedoch „lückenhaft und unzureichend“, wie das Bundesjustizministerium im Entwurf selbst schreibt. So mussten Whistleblower vor Gericht beweisen, dass zum Beispiel die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses im direkten Zusammenhang mit der Aufdeckung eines Missstandes stand. Diese Beweislast wird durch das neue Gesetz nun umgekehrt.

 

Hinweisgeberschutzgesetz kehrt Beweislast um

Kann der Arbeitgeber künftig keinen Beweis vorlegen, dass die ausgebliebene Beförderung, die Verweigerung von Fortbildungsmaßnahmen, die Änderung von Arbeitszeit oder Arbeitsort oder andere Benachteiligungen des Arbeitsnehmers nicht mit dessen Hinweisen auf Missstände zusammenhängen, werden diese Repressalien für nichtig erklärt. Diesbezüglich ausgesprochene Kündigungen sind unwirksam! Darüber hinaus können Betroffene Schadenersatz verlangen.

So weit, so gut. Neu ist die gesetzliche Verpflichtung für Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten, einen Meldeweg für Hinweisgeber einzurichten. Dabei kann es sich zum Beispiel um eine Ombudsstelle oder ein IT-gestütztes Meldesystem handeln. Was für viele Großunternehmen bereits gelebte Praxis darstellt, ist vor allem für viele mittelständische Unternehmen eine organisatorische Herausforderung. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Gesetzentwurf die Unternehmen nicht dazu verpflichtet, einen anonymen Meldekanal einzurichten. Dies bleibt Betrieben und Behörden selbst überlassen.

 

Klare Absage an die EU-Regelung: Internes Hinweisgebersystem muss nicht zuerst genutzt werden

Besondere Bedeutung erhält dieses Thema durch die vorgesehene Regelung im Entwurf des Hinweisgebergesetzes, die bereits für Kritik gesorgt hat: Beschäftigte in Deutschland müssen das innerbetriebliche Hinweisgeber- Meldesystem nicht vorrangig nutzen. Dies sehe jedoch die EU-Richtlinie ausdrücklich vor, schreibt Gregor Thüsing, Professor für Arbeitsrecht an der Universität Bonn, in der FAZ. Stattdessen legt der Entwurf fest, dass Whistleblower ihre Hinweise auch direkt einer externen Behörde melden dürfen. Ein wichtiger Anreiz für Unternehmen, ein Meldesystem zur Verfügung zu stellen, würde laut Gregor Thüsing durch eine solche Regelung entfallen.

 

An der Möglichkeit einer anonymen Meldung für den internen Hinweisgeber führt kein Weg vorbei

Unternehmen, die auf ein anonymes internes Meldesystem verzichten, fügen sich selbst erheblichen Schaden zu. Es ist kein Geheimnis, dass Mitarbeiter dem eingerichteten, internen Hinweisgebersystem erst dann vertrauen und es in der Folge auch nutzen, wenn es ihnen den Schutz der Anonymität bietet. Zu groß ist immer noch die Sorge als „Nestbeschmutzer“ von der Gemeinschaft der Kollegen ausgeschlossen zu werden.

Wichtig: Unternehmen sollten Möglichkeit und Sicherstellung der Anonymität in ihrer internen Kommunikation deutlich betonen. Eine hierzu breit angelegte Informationskampagne wird viele Mitarbeiter davon überzeugen, lieber das interne Meldesystem zu nutzen als den Behördenweg zu nehmen. Nur dann haben Sie als Unternehmen die Chance, den Sachverhalt intern aufzuklären und ggf. weitere notwendige Schritte wie die Einleitung von Sanktionen zu unternehmen.

 

Bundesbehörden als zusätzliche Anlauflaufstellen für Whistleblower

Eine externe Anlaufstelle für Hinweisgeber soll bei der Bundesbehörde des Datenschutzbeauftragten eingerichtet werden. Hinweise auf Verstöße im Finanzbereich sollen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gemeldet werden.

Allerdings sieht der Gesetzesentwurf keine Pflicht für die Behörden vor, anonyme Hinweise zu bearbeiten. Damit solle die Gefahr unzähliger denunzierender Meldungen sowie eine Überlastung der Meldestellen vermieden werden. Zusätzliche Hürden für Denunzianten, die mit ungeprüften, vorsätzlich oder grob fahrlässig weitergetragenen Informationen den Ruf eines Unternehmens schädigen, will das Gesetz mit Geldbußen und der Androhung von Schadenersatz aufstellen.

 

Direkte Information der Öffentlichkeit nur in Ausnahmefällen vom Gesetz geschützt

Whistleblower, die weder das innerbetriebliche noch das externe behördliche Meldesystem in Anspruch nehmen und ihre Informationen direkt an Medien oder über das Internet verbreiten, werden vom Hinweisgebergesetz nur in seltenen Fällen geschützt. Zum einen, wenn sie trotz einer Meldung im System der Behörde innerhalb einer Frist von drei Monaten  keinerlei Rückmeldung erhalten, zum anderen, wenn Hinweisgeber „hinreichenden Grund zu den Annahme hatten“, dass der Missstand „eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann“, so der Entwurf.

 

Weiterhin kein Schutz für „Deep Throat“

Keinen Schutz gewährt das Gesetz Hinweisgebern, die gegen das richterliche Beratungsgeheimnis oder die Verschwiegenheit von Ärzten oder Rechtsanwälten verstoßen. Nicht geschützt werden zudem Whistleblower, die Informationen zur nationalen Sicherheit offenlegen oder wesentliche Sicherheitsinteressen des Staates beschädigen – so wie Ellsberg, Felt, Snowden oder Manning.

 

Bis zum nächsten Mal. Bleiben Sie gesund und compliant!

Wir verwenden Cookies. Einige davon sind technisch notwendig, andere helfen uns, unser Angebot zu verbessern und Ihnen ein besseres Nutzererlebnis zu bieten. Cookies. Folgende Cookies akzeptieren Sie mit einem Klick auf Alle akzeptieren. Weitere Informationen finden Sie in den Privatsphäre-Einstellungen, dort können Sie Ihre Auswahl auch jederzeit ändern. Rufen Sie dazu einfach die Seite mit der Datenschutzerklärung auf.

Cookie Einstellungen

Hier haben Sie die Möglichkeit individuelle Cookie Einstellungen vorzunehmen.

FunctionalFunktionale Cookies ermöglichen es einer Webseite, bereits getätigte Angaben (wie zum Beispiel Benutzernamen, Sprachauswahl oder der Ort, an dem Sie sich befinden) zu speichern und dem Nutzer verbesserte, persönlichere Funktionen anzubieten.

AnalyticalUnsere Website verwendet analytische Cookies, die es ermöglichen, unsere Website zu analysieren und u.a. im Hinblick auf die Benutzerfreundlichkeit zu optimieren.

Social MediaUnsere Website platziert Social-Media-Cookies, um Ihnen Inhalte von Drittanbietern wie YouTube und FaceBook anzuzeigen. Diese Cookies können Ihre persönlichen Daten verfolgen.

WerbungUnsere Website platziert Werbe-Cookies, um Ihnen auf der Grundlage Ihrer Interessen Werbung von Drittanbietern anzuzeigen. Diese Cookies können Ihre persönlichen Daten verfolgen.

AndereAlle anderen Cookies