Nadine Jacobi
Allgemein

Warum 2020 (auch) ein Compliance-Jahr war

Nein, 2020 stand wahrlich nicht im Zeichen von „business as usual“. Viele Unternehmen wünschten wie in all den Jahren zuvor in ihren Weihnachts- und Neujahrsgrüßen ein „fröhliches Fest“ und „erfolgreiches 2021“. Das konnte den Eindruck erwecken, als hätte es Covid-19 mit all seinen Auswirkungen gar nicht gegeben. Oder aber die Unternehmen wollten ganz bewusst ein positives Zeichen in diesen schwierigen Zeiten setzen: Zeiten, in denen so wenig beständig ist wie selten zuvor und in denen der ein oder andere dann ganz bewusst an dem wenig Beständigen festhält. In diesem Sinne beginne ich meinen ersten Compliance-Blog im neuen Jahr so, wie ich ihn im Jahr 2020 immer geschlossen habe: Bleiben Sie gesund und compliant.

In 2020 verblassten im Zuge der einschneidenden Ereignisse von Covid-19 und den verordneten Lockdowns hochrelevante Ereignisse wie beispielsweise der Brexit. Selbst die Covid-19 Erkrankung von Trump erschien interessanter als der US-Wahlkampf. Und als Monate zuvor Johnson als konstanter Verweigerer der AHA Regeln ebenfalls an Covid-19 erkrankt war, verfolgten wir jede Schlagzeile – der scheinbar Unbelehrbare wurde nun doch von der Realität eingeholt. Schadenfreude bewegt den Menschen – Journalisten wissen das und bedienen diese Emotion, um das Interesse ihrer Leser zu wecken.

Auch die Berichte rund um Wirecard wurden interessiert verfolgt. Grotesk wirkten die Berichterstattungen darüber, dass den Prüfern in einer Videkonferenz Schauspieler anstelle von Bankangestellten gegenübersaßen oder es sich beim Besuch in Bankfilialen vor Ort nur um Kulissen gehandelt haben soll. Hätten wir das in einem Fernsehfilm präsentiert bekommen, hätten wir gesagt „wie unrealistisch!“.

 

Im Schatten der Jahrhundertereignisse

Im Schatten dieser Jahrhundertereignisse traten die in 2020 angekündigten rechtlichen Vorgaben zum Verbandssanktionengesetz (VerSanG) und zur EU-Whistleblower Richtlinie in den Hintergrund. Und dies, obwohl beide Vorhaben erhebliche Konsequenzen sowohl für Konzerne als auch mittelständische Unternehmen haben können:

 

  • Beim VerSanG geht es um eine Art Unternehmensstrafrecht: Wenn das Gesetz im Jahr 2021 verabschiedet wird, können Unternehmen für das Fehlverhalten ihrer Mitarbeiter sanktioniert werden – und dies in einer Höhe von bis zu 10% des gesamten Umsatzes. Was manchem Geschäftsführer vielleicht noch nicht bewusst ist: Eine Milderung der Sanktion von bis zu 50% oder sogar die Einstellung des Verfahrens unter Auflagen kann erreicht werden: z.B. durch die vorherige Einrichtung eines effizienten Compliance-Management-Systems und die Durchführung interner Untersuchungen zum Zeitpunkt der Ermittlungen.

 

Solche erheblichen Sanktionsmilderungen können über die Existenz und die Zukunft eines Unternehmens entscheiden. Es gilt, die dafür notwendigen Strukturen mit Augenmaß aufzusetzen: ausgerichtet auf den Bedarf und das jeweilige Risikopotential des Unternehmens. Dies erst zum Zeitpunkt des Aufkommens oder der Verfolgung einer sog. Verbandsstraftat zu tun, wird kaum gelingen.

 

Und… liebe Geschäftsführer, es gibt noch einen sehr gewichtigen Grund aktiv zu werden. Die Schaffung notwendiger Voraussetzungen zur späteren Inanspruchnahme von Sanktionsmilderungen, kann haftungsrechtlich für Sie von Bedeutung sein: Sollten Sie dies unterlassen haben und damit von der Möglichkeit der Sanktionsmilderung keinen Gebrauch machen können, sehen Sie sich möglicherweise zivilrechtlichen Ansprüchen ausgesetzt.

Und… liebe Compliance Officer, wer also für 2021 noch ein Argument bei der Geschäftsführung benötigt, dass diese Budget für den Aufbau oder Ausbau eines Compliance-Management-Systems zum Nutzen beider freigibt, hier ist es!

 

  • Die bereits verabschiedete EU-Whistleblower Richtlinie sieht zudem vor, dass Unternehmen ab 50 Mitarbeitern oder einem Umsatz von mehr als 10 Mio. EUR pro Jahr geeignete interne Meldekanäle einrichten müssen, damit ihre Mitarbeiter anonym Meldungen zu möglichen Verstößen abgeben können, ohne mit negativen Konsequenzen rechnen zu müssen.

 

Sie ahnen es schon… die Anzahl der Verfahren und damit die Herausforderungen für Unternehmen werden steigen; Denn durch Hinweisgebersysteme können Compliance Verstöße eher aufgedeckt werden und das VerSanG sieht vor, dass Staatsanwälte zukünftig ermitteln müssen (Legalitätsprinzip).

 

Um die positiven Seiten dieser Regelungen hervorzuheben: Unternehmen, die um Integrität wirklich bemüht sind, geben diese Regelungen die Möglichkeit der Selbstreinigung. Und den Wettbewerbsvorteil durch eingesparte Bußgelder und eine positive Unternehmenskultur, die sich sowohl nach innen auf die Mitarbeiter als auch nach außen auf die Lieferanten, Kunden und Investoren auswirkt, gibt es „gratis“ dazu.

 

Und wer spricht jetzt noch bei den täglichen Meldungen zur Zahl der Erkrankten und anderen Kennwerten, dem Start der Impfungen und möglichen Virusmutationen, noch über die Herausforderungen, die das monatelange Arbeiten von Zuhause uns allen bescherte?

 

Covid-Auswirkungen in der Compliance

Videokonferenzen sind das neue Normal inklusive der dazu notwendigen technischen Infrastruktur und den angeeigneten, persönlichen IT- Kompetenzen. Aber immer noch beginnen viele Videokonferenzen mit dem Klassiker: „Können Sie mich hören?“ Oft folgen schlechte Tonqualität und ruckelige Bilder von dem Körperteil des Gesprächspartners, den dieser gerade in die Kamera hält. Und das ist das Problem: „Eine Videokonferenz ersetzt nicht das persönliche Gespräch.“ Ich weiß… 5 EUR in das Phrasenschwein. Aber für Compliance Officer wie für andere Berufsgruppen hinterlässt dies eine Lücke. Uns Compliance-Spezialisten und Beratern fehlen die persönlichen Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzten und Betriebsräten. Und damit die für die Überzeugungsarbeit und Informationsgewinnung so wichtige Kommunikation.

 

In diesen Zeiten könnte auch die Diskussion aufleben, inwieweit ausschließlich digitale Schulungen geeignet sind, die Ziele zu erreichen, die für die Compliance Sensibilisierung notwendig sind. Das Einbringen von Ideen und Anregungen der Kollegen anderer Abteilungen sowie Dilemma-Diskussionen, bei den die aktuellen (!) Erfahrungen unterschiedlicher Fachbereiche einfließen, sind bei Schulungen per Videokonferenz – und bei E-Learnings sowieso – praktisch unmöglich. Denn ein wichtiges Ziel von Compliance Schulungen ist es, diejenigen mit Argumenten zu überzeugen, die offen dafür sind. Sie stehen neben denen, die bereits die Relevanz erkannt haben und denen, an denen alles abperlt. Und in der jetzigen Situation besteht die Gefahr, dass wir diese Gruppe nicht mehr so gut erreichen: Sie geraten neben den „ich bin sowieso gegen alles neue“ und den „ist ja eh klar“ leider in den Hintergrund.

 

Die Entwicklungen in 2020 hatten aber nicht nur großen Einfluss auf die Compliance Arbeit im Bereich der Prävention, sondern auch auf den Bereich des Monitorings, also dem Bereich des Überprüfens, ob Mitarbeiter sich an das Regelwerk gehalten haben: So mussten im Rahmen von Internal Investigations Kolleginnen und Kollegen bei ihrer umfassenden Aufklärung des Sachverhalts auf die Vorteile persönlicher Befragungen verzichten. Dies galt z.B. dann, wenn der Vorfall in einer Tochtergesellschaft im Ausland hochkam und das eingesetzte Investigation Team die Vorwürfe nicht vor Ort untersuchen konnte. Stattdessen blickte es auf halbe oder ganze Gesichter in der Videotelefonie, ohne Möglichkeit, weitere Signale wie insbesondere die Körpersprache zu interpretieren und darauf einzugehen. Ebenfalls eine fast unüberwindbare Hürde: Wie sollen Dokumente sorgfältig reviewt und analysiert werden, wenn diese nur kurz am Bildschirm geteilt werden? Der Mehrwert einer solchen, nach wie vor kostspieligen Investigation kann dann durchaus fraglich sein.

 

Je größer der Umsatzrückgang, die wirtschaftlichen Risiken oder gar Schäden für das Unternehmen, desto eher mussten Compliance Officer gegen Kürzungen ihres Budgets, Zurückstellen von Compliance Maßnahmen oder gar die Streichung bereits zugesagter Stellen kämpfen. In Kombination mit den durch das Homeoffice eingeschränkten Kontroll- und Aufklärungs-Möglichkeiten könnte das auf Entscheider im Unternehmen verlockend wirken. Covid-19 verursachte Sorgen, die manchem die Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien als weniger wichtig erschienen ließen.

 

Es ist schon eine Ironie der Geschichte: Denn gleichzeitig steigen die gesetzlichen Anforderungen und rücken Compliance immer mehr ins Licht der Aufmerksamkeit – siehe meine Ausführungen oben zum VerSanG und der EU-Whistleblower-Richtlinie.

 

Compliance Customized

2020 ging vor wenigen Tagen zu Ende. Es war das erfolgreiche Startjahr meines Unternehmens Compliance Customized. Für mich war es ein Jahr mit spannenden Mandaten in unterschiedlichen Branchen und vielfältigen Aufgabenstellungen. Zu den Höhepunkten des Jahres zählt mein Vortrag bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, bei dem ich mit 25 Staatsanwältinnen und Staatsanwälten über das Vorgehen zur Bewertung von Compliance-Management-Systemen vor dem Hintergrund des VerSanG diskutieren durfte.

 

Gefreut habe ich mich 2020 über den Einzug ins neue Büro und über die vielen positiven Rückmeldungen zu meinem Blog und meiner Webseite www.compliance-customized.com. Dafür herzlichen Dank!

 

Die beruflichen Weichen für 2021 sind gestellt. Das Verbandssanktionengesetz wirft seine Schatten voraus, die ersten Anfragen für Vorträge zu diesem Thema liegen bereits vor. Compliance Customized vergrößert sich mit einer neuen Mitarbeiterin. Darüber hinaus bahnt sich eine neue Kooperation an. Über all das und mehr werde ich in diesem Jahr noch berichten.

 

Bis dahin wünsche ich Ihnen einen guten Start in ein hoffentlich besseres neues Jahr.

 

Wir verwenden Cookies. Einige davon sind technisch notwendig, andere helfen uns, unser Angebot zu verbessern und Ihnen ein besseres Nutzererlebnis zu bieten. Cookies. Folgende Cookies akzeptieren Sie mit einem Klick auf Alle akzeptieren. Weitere Informationen finden Sie in den Privatsphäre-Einstellungen, dort können Sie Ihre Auswahl auch jederzeit ändern. Rufen Sie dazu einfach die Seite mit der Datenschutzerklärung auf.

Cookie Einstellungen

Hier haben Sie die Möglichkeit individuelle Cookie Einstellungen vorzunehmen.

FunctionalFunktionale Cookies ermöglichen es einer Webseite, bereits getätigte Angaben (wie zum Beispiel Benutzernamen, Sprachauswahl oder der Ort, an dem Sie sich befinden) zu speichern und dem Nutzer verbesserte, persönlichere Funktionen anzubieten.

AnalyticalUnsere Website verwendet analytische Cookies, die es ermöglichen, unsere Website zu analysieren und u.a. im Hinblick auf die Benutzerfreundlichkeit zu optimieren.

Social MediaUnsere Website platziert Social-Media-Cookies, um Ihnen Inhalte von Drittanbietern wie YouTube und FaceBook anzuzeigen. Diese Cookies können Ihre persönlichen Daten verfolgen.

WerbungUnsere Website platziert Werbe-Cookies, um Ihnen auf der Grundlage Ihrer Interessen Werbung von Drittanbietern anzuzeigen. Diese Cookies können Ihre persönlichen Daten verfolgen.

AndereAlle anderen Cookies