Teil 4 meiner Blog-Serie: Halt! Droht das Spiel in die falsche Richtung zu kippen, nehmen Coaches im Handball, Basketball oder American Football eine Auszeit. Diese Auszeit rufe ich nun ebenfalls aus. Denn fleißige Leserinnen und Leser meines Blogs haben mich gefragt, ob ich Compliance in Unternehmen wirklich so kritisch sehe oder erlebt habe wie bisher geschildert.
Meine Beispiele aus der Praxis habe ich tatsächlich so erlebt. Ich sehe Top-Manager gar nicht kritisch, im Gegenteil: Als Compliance-Spezialistin habe ich großes Verständnis für die grundsätzlich schwierige Situation der Geschäftsführer und Vorstände. Sie zeichnen für die Zahlen im Unternehmen verantwortlich und werden von Gesellschaftern, Kunden und Mitarbeitern am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens gemessen. Ihr Problem: Oftmals lassen sich die vorgegebenen Finanz-Ziele nicht mit den Compliance-Zielen in Einklang bringen, zum Beispiel wenn die Empfehlung lautet, ein zwar lukratives, aber risikobehaftetes Geschäft nicht zu tätigen.
Für diesen Zielkonflikt interessieren sich weder der Gesetzgeber noch die Gesellschafter. Letztere haben das klare Interesse, dass Jahr für Jahr Umsatz und Gewinn deutlich wachsen – ganz gleich ob die Vorgaben realistisch sind oder nicht. Stellt sich heraus, dass die geplante oder gerade eingeführte Vertriebsstrategie zwar gewinnträchtig, aber möglicherweise „non compliant“ ist, müssen Vorstand oder Geschäftsführung sich entscheiden. Fakt ist: Führungskräfte können gegenüber ihren Gesellschaftern nicht anführen, dass die Ziele in diesem Jahr wegen zu hoher Compliance-Risiken nicht erfüllt werden können.
So ist es nicht verwunderlich, dass dieser Druck häufig von der Geschäftsleitung weitergegeben wird. Dies kann dazu führen, dass vom Compliance Officer bedingungslose Loyalität eingefordert wird – die der CO qua Funktion natürlich nicht zusichern kann. Wie sieht solche eine Loyalitätseinforderung an den CO in der Praxis aus? Zum Beispiel so: „Herr/Frau Meyer-Müller-Schmidt, wenn Sie das so in Ihrem Compliance Statement formulieren, kann ich die Entscheidung zur Abgabe des Angebots nichts mehr treffen. Können Sie das nicht anders formulieren?“
Oder der Vorstand formuliert Erwartungen, ohne sich dabei bewusst zu sein, welche Botschaften damit bei seiner jeweiligen Führungskraft ankommen. Ein weiteres Beispiel aus der Praxis? Gerne. Der Geschäftsführer sagt zum Leiter der Rechtsabteilung: „Ich will nicht wissen, was nicht geht, ich will Lösungen.“ Was er nicht formuliert – da für ihn vielleicht selbstverständlich: „Ich will natürlich nur Lösungen, die im Einklang mit Recht und Gesetz stehen und auch keine Umgehung darstellen.“ Was aber kommt beim Empfänger an? Dies hier: „Ich will Lösungen, egal ob sie compliant sind oder nicht – es zählt nur der Erfolg.“
Wird die Lösung geliefert, zeigt sich der Geschäftsführer zufrieden und der Mitarbeiter erhält ein Lob. Und der Geschäftsführer hinterfragt natürlich zu diesem Zeitpunkt nicht noch einmal, ob diese Lösung auch wirklich Recht und Gesetz entspricht. So kann das Ganze dann seinen Lauf nehmen. Dabei ist sich der Geschäftsführer noch nicht einmal bewusst, welche Botschaft er mit der ausschließlichen Fokussierung auf Lösungsorientierung gesendet hat.
Umso wichtiger ist es, dass ein Compliance Officer bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten für ihren oder seinen Beruf mitbringt oder rasch entwickelt. Welche dies sein sollten, dazu mehr in meinem Blog kommende Woche. Bleiben Sie bis dahin gesund und compliant!
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